Zwei Jahre. So lange bin ich schon auf der Suche nach der Formel, die das Unerklärliche erklärt. Die Ergebnisse, Tendenzen oder wenigstens Tore möglichst valide vorhersagt. Es waren zwei harte Jahre, in denen ich zwischenzeitlich aus purer Verzweiflung sogar in die Kirche eintreten wollte. Aber dann dachte ich: Auf Heiligenscheinen kann man nichts ankreuzen!
Mein kleines Team und ich sind mittlerweile auf einem guten Weg zu einer passablen Sportwetten-Strategie. Aber bevor ich darüber schreibe, wollte ich in den kommenden Kolumnen ein paar der Versuche offenlegen, die gescheitert sind. Vielleicht erkennt sich jemand von Euch ja wieder und macht nicht dieselben Fehler. Aber bitte: Aus der Kirche austreten sollt Ihr nicht. Vielleicht ist der Fußballgott ja doch ein Tipster.
Versuch 1 – Over the Rainbow
Die Annahme: Je tiefer die Liga, desto mehr Tore fallen.
Die Ausgangslage: Overs, also Wetten darauf, dass mehr als 2.5 Tore (manchmal auch 1.5 oder 3.5) in einem Spiel fallen, gehören zu den beliebtesten Wetten überhaupt. Warum? Der Mix aus a) Illusion („Tore fallen eigentlich immer“) und b) Pseudo-Strategie („Man kann auch gewinnen, wenn ein Favorit strauchelt, solange nur Tore fallen“, siehe a), ist ein Killer.
Es dauerte nicht lange, bevor ich die Overs für mich entdeckt hatte. Die ersten Scheine wurden gebaut, Kombinationen aus drei Bundesligapartien sollten es sein. Damit der Angang nicht vogelwild war, wurden die Partien mithilfe des ATG (Average Total Goals, Summe der durchschnittlichen Tore + Gegentore) gescoutet. Den findet Ihr beispielsweise bei http://www.soccerstats.com/.
Ein möglichst hoher ATG jenseits 2.5 bei beiden Teams müsste doch todsicher sein?
Der hohe Erwartungswert deckte sich leider nicht mit den Ergebnissen. Bei einer Quoten-Range von durchschnittlich 1.4 bis 1.7 pro Partie ergab sich zwar regelmäßig eine nette Gesamtquote von nahe 4.0, aber auf lange Sicht stand ein negatives Ergebnis. Nur jeder fünfte Schein war erfolgreich. Ihr kennt das: Am Ende fehlte oft ein einziges Tor.
Die Anpassungen: Zunächst wurden die Konstellationen der Bundesligateams geändert (Offensivstarke gepaart mit Defensivschwachen). Ohne Ergebnis. Dann die Ligen. Fielen in der Dritten Liga in GER oder in England wirklich mehr Tore (die Quoten und die Stats insinuierten das)? Nö, jedenfalls nicht dann, wenn man drauf setzte. Schließlich wurde der erfolglose Versuch unternommen, live ab Minute 65 in vier Spielen auf ein noch zu erzielendes Tor zu setzen.
Dann die (vermeintliche) Erleuchtung in Sachen Sportwetten-Strategie. Gab es vielleicht eine oder mehre Ligen, die Torgaranten waren und trotzdem ausreichend berechenbar? Ich stellte (zugegebenermaßen aus der Hüfte) folgende Voraussetzungen auf: Gute Platzverhältnisse, professionelle Strukturen, hoher ATG, Over-Quoten in der Range 1.35 bis 1.5.
Kandidaten gab es fünf:
Jupiler League (zweite Liga Niederlande),
Ykkönen (zweite Liga Finnland),
OBOS-Ligaen (zweite Liga Norwegen),
League 2 (vierte Liga England),
National League (fünfte Liga England).
Insbesondere Holland und die National League wurden zu einer regelrechten Obsession. Ich legte Excel-Listen an mit Ergebnissen, markierte Overs mit grün und glich dann regressiv Konstellationen ab, die zu grünen Ergebnissen geführt hatten. Irgendwann gab es Teams, die ich liebevoll Goldene Bänke nannte. Ihre klingenden Namen waren Helmond Sport, Telstar, Dordrecht, Kidderminster Harriers oder Eastleigh. Die erste Over-Kombination aus den Goldenen Bänken ging durch und brachte 100 für 10. Dann war der Bank-Lack aber auch schon ab. Der Glaube, endlich fündig geworden zu sein, wich der Erkenntnis: Wer an das Tor glaubt, ist selber einer.
Die Lehre: Over-Wetten sind die M&Ms unter den Wettarten. Sie schmecken so lecker, dass man erst aufhört, sie zu essen, wenn die Tüte leer ist. Leider hat man danach Bauchschmerzen. Immer. Heute lasse ich lieber die Finger von Overs.
Hier findet Ihr die erste Kolumne: „Wollt Ihr gut im Bet werden?“